Vom Kampf des Sisyphos gegen die Armut der Kinder im Ruhrgebiet –

Tagung am IAT suchte nach Ursachen und Lösungsmöglichkeiten

Pressemitteilung vom 07.02.2020
Redaktion: Marco Baron

Armut lässt sich als statistische Größe messen – ein Viertel der Bevölkerung im Ruhrgebiet gilt als arm, bei den Kindern liegt die Quote z.T. über 40 Prozent. Für die Betroffenen bedeutet arm zu sein viel mehr als nur Zahlen: Herausforderung, Kampf und manchmal Verzweiflung. Und die finanzschwachen Kommunen kämpfen wie Sisyphos – bauen neue Kitas, fördern Sozial- und Bildungsprojekte, um dann festzustellen, dass alles nicht reicht. Mit der „Kinderarmut im Ruhrgebiet – Ursachen und Lösungsmöglichkeiten“ befasste sich eine Fachtagung am Institut Arbeit und Technik (IAT/Westfälische Hochschule).

„Die Zukunft wird in der Region früh verspielt“, so die von den rund 90 Anwesenden viel diskutierte – und leider bestätigte – These. Dabei ist die Sachlage längst kein Spiel mehr. In den letzten Jahren hat es dramatische Veränderungen gegeben durch den „Import von Armut aus der EU“, vor allem aus Südost-Europa. Wer von dort kommt, zieht nicht nach Düsseldorf oder Münster, sondern nach Gelsenkirchen, Essen oder in andere Revierstädte. Die Ruhrgebiets-Kommunen, die sich beim Ausbau von Kindertages- und U3-Betreuung vor fünf Jahren noch auf der Zielgeraden wähnten, kommen nicht nach mit dem Bau von Kitas – und nachfolgend auch Schulen.

Die Auswirkungen und Begleiterscheinungen von Armut sind bekannt: viele Kinder haben Übergewicht, sind sprachauffällig, können von den oft bildungsfernen Eltern kaum gefördert werden, haben eine schlechte Körperkoordination. Was hilft, ist ebenso bekannt: früher Spracherwerb, frühe Kita, Sportverein, direkter Kontakt und persönliche Ansprache, damit soziale Teilhabe und dann auch die Schul- und Berufslaufbahn gelingen. Eine Vielzahl von Projekten ist in den Kommunen aufgelegt worden – nicht nur kleinteilig und befristet, sondern auch langfristig und nachhaltig. Einzelerfolge zeichnen sich ab, an den Strukturen ändert das bisher wenig. „Allein im Ruhrgebiet ist das Problem nicht zu lösen – da sind Land und Bund gefordert“, so ein Fazit der Tagung.

Die Präsentationen der Vorträge der beteiligten Referent*innen finden Sie unter

Kinderarmut im Ruhrgebiet - Ursachen und Lösungsmöglichkeiten

 

Parallelwelten - Fotoarbeiten zur Kinderarmut

Fotografieausstellung im Wissenschaftspark Gelsenkirchen

https://www.wipage.de/detail/termin/parallelwelten-fotoarbeiten-zur-kinderarmut

 Donnerstag, 06. Februar, bis Samstag, 09. Mai 2020

Publikum auf der Tagung zur Kinderarmut
Großes Interesse bei der Tagung "Kinderarmut im Ruhrgebiet". Fotos: IAT/Rabadjieva/Flögel/Braczko
Foto von der Tagung zur Kinderarmut
Michaela Evans vom Institut Arbeit und Technik und Dr. Peter Petrak vom Gerhard-Weisser-Institut führten durch das Programm.
Foto von der Tagung zur Kinderarmut
Volker Kersting vom Zentrum für interdisziplinäre Sozialforschung der Ruhr-Universität Bochum belegte die Kinderarmut im Ruhrgebiet mit umfassenden wissenschaftlichen Ergebnissen.
Foto von der Tagung zur Kinderarmut
Prof. Dr. Matthias Hastall von der TU Dortmund betrachtete die Gesundheit sozial schwaher Kinder als Kommunikationsherausforderung.
Prof. Dr. Josef Hilbert auf der Tagung zur Kinderarmut
"Sorge bereitet, das sich an der Situation nichts ändert, es wird sogar schlimmer!" - IAT-Leiter Prof. Dr. Josef Hilbert.
Wolfgang Schreck, Jugendamtsleiter der Stadt Gelsenkirchen, auf der Tagung zur Kinderarmut
Gelsenkirchen - die tun was! Wolfgang Schreck, Jugendamtsleiter der Stadt Gelsenkirchen, schilderte Aktivitäten gegen Kinderarmut "vor Ort".
Foto von der Tagung zur Kinderarmut
Marie Angerer stellte das Modellprojekt "Tausche Bildung für Wohnen" vor.
Podiumsrunde auf der Tagung zur Kinderarmut
"Worüber wir reden müssen" - Dr. Ortrud Leßmann vom Gerhard Weisser-Institut (Mitte) diskutierte mit der Fotografin Brigitte Kraemer (links), Prof. Dr. Josef Hilbert vom IAT, Klaus Ovwerdiek von der DAK-Gesundheit NRW und Marie Angerer, Tausche Bildung für Wohnen e.V.