Altenhilfeplanung im Kreis Gütersloh

Beschreibung

Die Entwicklung alternative Wohnangebote für Menschen im Alter beginnt im Kreis Gütersloh mit der Umsetzung der Psychiatriereform in den 1980-er Jahren und beinhaltete einerseits die Auflösung stationärer
Langzeiteinrichtungen und andererseits den Aufbau ambulanter Strukturen von Hilfsangeboten für die unterschiedlichsten Personengruppen, insbesondere psychisch Erkrankter. Bis 1996 ist der dezentrale Aufbau
einer Vielzahl von ambulanten Hilfen gelungen, sodass ein Großteil aller Patienten in ambulante Strukturen entlassen werden konnte. Durch diese Aufbauarbeit hat sich ein dichtes Netz an verschiedenen pflegerischen
Angeboten und Betreuungsleistungen für Menschen mit psychischen Erkrankungen etabliert. Im Zuge dieser Entwicklung und des Trends der „Enthospitalisierung“ konnte nach und nach auch die Versorgung von Menschen im Alter von dieser Entwicklung profitieren und so entstand durch die Trägerschaft einer Vielzahl psychosozialer Vereine und Organisationseinheiten eine hohen Dichte ambulanter und tagespflegerischer Leistungen speziell für ältere Menschen.

Ausgangspunkt für die Schaffung alternative Wohnformen für Menschen im Alter im Kreis Gütersloh war der Verein „Daheim e.V.“ als psychosozialer Träger ambulanter Hilfen im Kreis Gütersloh, der 1989 von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pflege der damaligen Westfälischen Klinik für Psychiatrie gegründet wurde. Mit dem Grundsatz „ambulant vor stationär, die Angebotsentwicklung an den Bedürfnissen orientieren“ war
das Ziel, die ambulante Versorgung insbesondere älterer, pflegebedürftiger Menschen im Kreis Gütersloh zu verbessern. Der Verein ist seit seiner Gründung gemeinnützig und steht in enger Kooperation zur
kommunalen Verwaltung. Er wird von einem ehrenamtlich tätigen Vorstand geführt.

1991 eröffnete der Verein die erste Tagespflege im Kreis Gütersloh und ist heute Träger von insgesamt acht Tagespflegen. 1993 kam die erste ambulante Wohnbetreuung für ältere Menschen mit psychischen Erkrankungen hinzu und 1994 wurde der erste ambulante Pflegedienst eingerichtet. Aufgrund der Erfahrung, dass skandinavische Länder quartiersbezogene, kleine Versorgungsangebote für ältere pflegebedürftige Menschen anbieten, gründete der Verein Daheim 1999 die erste ambulante Hausgemeinschaft für Menschen mit erhöhtem Pflege- und Betreuungsbedarf im Kreis Gütersloh und etablierte damit eine gänzlich neue Wohnform im Kreis. Mit einer maximalen Platzzahl von 16 bis 18 sollten diese Hausgemeinschaften Wohn- und zugleich Lebensraumangebot für Menschen mit einem erhöhten Betreuungs- und Pflegebedarf sein, unabhängig der körperlichen und psychischen Erkrankungen. Bis heute hat sich die Platzzahl im Konzept nicht vergrößert. Die Bewohnerinnen und Bewohner sind Mieter eines eigenen Appartements und versorgt durch einen ambulanten Pflegedienst.

Heute ist der Verein Träger von insgesamt elf ambulanten Hausgemeinschaften. Im Laufe der Zeit hat sich zusammen mit der Kreisverwaltung auch der Schwerpunkt demenzielle Erkrankungen gebildet. So soll auf demenziell Erkrankte besondere Rücksicht bei der Schaffung neuer Wohnangebote genommen werden.

Durch diese Entwicklung weist der Kreis Gütersloh heute mit 53 ambulanten Diensten im bundesweiten und landesweiten Vergleich eine überproportional hohe Zahl an Bürgerinnen und Bürger auf, die ambulant in ihrer Häuslichkeit mit allen Pflegeleistungen versorgt werden. Dazu tragen auch über 25 Tagespflegeeinrichtungen bei, die häufig in Hausgemeinschaften integriert sind.

Insbesondere die Entwicklung alternativer Wohnformen, vor allem des Betreuten Wohnens durch die Etablierung von Daheim e.V. hat zu einer unterdurchschnittlichen Anzahl stationärer versorgter Menschen im Alter im Kreis Gütersloh geführt. Ambulanten Hausgemeinschaften stellen heute über 600 Plätze in über 40 Hausgemeinschaften flächendeckend, dezentral, quartiersbezogen im Kreis Gütersloh zur Verfügung und tragen seit 2010 zu einer deutlichen Reduktion der stationären Altenhilfeplätze entgegen dem bundesweiten Trend bei.

In den 2000-er Jahren übernahm zusätzlich zu dieser Entwicklung der Wohnformen die Kreisverwaltung die Aufgabe der konkreten und übergeordneten Altenhilfeplanung. Bis dato war es üblich, dass jede Kommune eine eigene Altenhilfeplanungsstruktur verfolgt. Die kommunale Bedarfsplanung ist nicht verbindlich und innerhalb eines Kreises besteht i. d. R. keine einheitliche Planungskultur und Planungsstruktur. 2005 hat der Kreis Gütersloh das Thema Altenhilfeplanung aufgenommen und 2006 einen Arbeitskreis gegründet, in dem unterschiedliche Akteurinnen und Akteure der Altenpflegeplanung zusammenkommen und mit Anbieterinnen und Anbietern, Bürgerinnen und Bürgern, Stadtplanung etc. versuchen, gemeinsame Wege zu gehen. Zusätzlich hat der Kreis Gütersloh in einem Pilotprojekt mit einzelnen Kommunen eine Bürgerbefragung für bedarfsgerechte Quartiersplanung durchgeführt. Hierzu wurden auch Workshops mit Bürgerinnen und Bürgern veranstaltet und sämtliche Lebensbereiche sowie Handlungsfelder berücksichtigt. Ergebnisse dieser Befragung waren unter anderem, dass die Bürgerinnen und Bürger mit bestimmten Wohn- und Betreuungsangeboten zufrieden sind. Andere Angebote und Projekte fehlten oder mussten ausgebessert werden. So führte das Projekt in den befragten Kommunen zu ehren- und hauptamtlichen Gründungen von Schuhlieferservice, der Eröffnung eines Stadtteilcafés und einer Sanierung von Parkbanken bzw. Sitzmöglichkeiten. Eine besondere Form des Engagements, das sich in Folge dieser Befragungen und Workshops entwickelte, waren „Bürgerproteste“ gegen „unsinnige Entwicklungen“ wie z. B. den Bau von stationären Einrichtungen, obgleich
andere Leerstände vorweisen oder Anlagen zurückgebaut wurden. 

Mittlerweile ist das Thema Altenhilfeplanung, regional vom Kreis Gütersloh initiiert, Thema in allen zuständigen kommunalen Ausschüssen. Die dezentralen quartiersbezogenen alternativen Wohnformen der Hausgemeinschaften haben sich etabliert, so dass überall „Wartelisten“ für einen Platz in einer Hausgemeinschaft bestehen. Mittlerweile entstehen auch die ersten „Aktivitätszentren“ in den Stadtteilen, die
Anlaufstelle und ein Ort für Kommunikation, Freizeitgestaltung sind und in denen sich Bürgerinnen und Bürger begegnen können.

Die Kreisverwaltung will zukünftig das Netz der ambulanten Hilfen, der ambulanten Tagespflegen und betreuten Hausgemeinschaften unter Einbezug der Bürgerinnen und Bürger und einer gemeindenahen Sozialraum- und Quartiersentwicklung weiter verdichten.

Ein weiteres Ziel ist die vorhandene Grenze zwischen ambulant, teilstationär und stationär zu flexibilisieren und Hilfeleistungen als „nicht stationsgebundene Leistung“ in der Häuslichkeit der Bürgerinnen und Bürger zu ermöglichen. Hier kann auch das bundesweit in einzelnen Kommunen schon umgesetzte „Regionale“ Budget als Finanzierungsrahmen die Hürden zwischen den unterschiedlichen Finanzierungsformen überwinden.
Ein genaues inhaltliches Konzept und Kooperationspartner müssen noch gefunden werden.

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